Theorien, wohlfeil
Der Mensch muß sich die Welt erklären, anders
erträgt er sie nicht, anders kann er nicht in ihr leben. Jede Theorie -
buchstäblich und wortwörtlich: jede - ist besser als keine Theorie.
Religionsstifter und Philosophen haben das erkannt und die Marktlücke mit Sinn
gefüllt.
Ende der siebziger Jahre bin ich auf der
Autobahn bei Regensburg nach Norden gefahren. Das Autoradio war eingeschaltet
und ich hörte gerade Nachrichten auf einem UKW-Sender des Bayerischen
Rundfunks. Dann kam der Pfaffensteiner Tunnel und so ganz allmählich wurde der
Empfang immer schlechter, bis schließlich im Inneren der Tunnelröhre überhaupt
nichts mehr zu hören war.
Als die Ausfahrt näher kam, setzte das Programm
wieder ein. Musik erst und dann sprach einer über die Musik - auf Polnisch!
Kein Sprechgesang, sondern eine ganz normale Ansage, wie vor jeder Sendung, nur
eben diesmal auf Polnisch.
Innerhalb von Sekunden hatte ich mir eine
Theorie zurechtgelegt; daß nämlich bei bestimmten Wetterlagen Überreichweiten
bei UKW-Sendern auftreten könnten (das ist tatsächlich so), daß ferner
topographische Besonderheiten an der Nordseite des Berges diese Überreichweiten
verstärken würden, so jetzt eben ein polnischer Sender in hervorragender
Qualität zu empfangen sei.
Damit war ich vorerst zufrieden und fing an,
mich wieder zu entspannen, als der wohlbekannte Moderator Ado Schlier vom
Bayerischen Rundfunk seine Stimme erhob und kundtat, es folge nun, in einer
Übernahme vom polnischen Rundfunk, die Übertragung eines Musikfestivals aus
Zoppot.
Ach so, so einfach.
Schade um meine schöne Theorie.