Mephisto
und Radetzky
Was aber bleibet, stiften die Dichter
Der Film "Mephisto" von István Szabó
endet in einer ganz bemerkenswerten Szene: Der Filmheld Henrik Höfgen, ein
gefeierter, berühmter und von allen möglichen Leuten hofierter Schauspieler,
legt sich auf einem Bankett wegen irgend etwas mit Hermann Göring an. Göring
nimmt den Gefeierten zum nächtlichen Berliner Olympiastadion mit, läßt ihn dort
(nackt, wenn ich mich richtig erinnere) auf den mit einem Spotlicht
beleuchteten Platz laufen und verhöhnt den im demütigenden Scheinwerferlicht
stehenden Schauspieler. Drastisch und schmerzhaft zeigt er ihm seine Grenzen:
Er mag ja der große und weltberühmte Künstler sein, aber er ist eben nur ein
Schauspieler. Er ist der Liebling der Mächtigen, man schätzt seine Kunst, aber
er gehört selbst nicht zu den Mächtigen. Er ist letztlich nur ihr - wenn auch
hochbezahltes und bejubeltes - Spielzeug.
So ist es im Film und so ist es natürlich auch
im richtigen Leben.
Wichtig sind die Leute, welche die politische
und vor allem die ökonomische Macht in Händen halten. Künstler - auch gefeierte
Künstler - sind letztlich nichts anderes als die Hofnarren und Kasper der
wirklich Mächtigen.
Soweit wirst du mir wahrscheinlich zustimmen, ob
du nun eher Politiker bist oder Künstler.
Und was fällt dir zum Namen "Radetzky"
ein? Jede Wette, daß alle, ausnahmslos alle,
von denen, denen überhaupt etwas dazu eingefallen ist, jetzt
"Radetzky-Marsch" gesagt haben? Richtig, der so ungemein bekannte und
wirklich zurecht so beliebte "Radetzky-Marsch". Und die meisten von
Ihnen wissen wahrscheinlich auch, von wem der "Radetzky-Marsch" ist:
Von Johann Strauß, dem Walzerkönig aus Wien.
Und warum heißt der Marsch
"Radetzky-Marsch"? Da wird es schon stiller, aber ein immer noch
beträchtlicher Prozentsatz wird jetzt sagen, daß der Marsch nach einem gewissen
Radetzky benannt ist, dem er gewidmet ist. Und wer war dieser "gewisse
Radetzky"? Ein österreichischer Politiker, werden einige sagen und die
Informierteren bringen es noch auf " Feldmarschall Radetzky". Und
dann beißt es aus. Dann müßtest du schon Historiker sein, oder gerade erst
deine Matura in Österreich gemacht haben, um wenigstens ein bißchen was
Substantielleres über diesen Feldmarschall Radetzky erzählen zu können.
Joseph Wenzel Graf Radetzky von Radetz,
österr. Feldmarschall, * 2. 11. 1766 Schloß Trebnitz, Böhmen, † 5. 1. 1858
Mailand; 1809–1812 Generalstabschef, während der Befreiungskriege entscheidend
beteiligt am Feldzugplan der Völkerschlacht bei Leipzig; 1831–1857
Oberbefehlshaber bzw. Generalgouverneur in Oberitalien, wo er alle Erhebungen
gegen die habsburg. Herrschaft niederwarf; volkstüml. Heerführer (Radetzky-Marsch
von J. Strauß [Vater]).
So
steht es im Brockhaus-Lexikon, und es ist dir natürlich aufgefallen, daß auch
der Brockhaus es sich nicht verkneifen kann, auf den Radetzky-Marsch, den ja
jeder kennt, hinzuweisen.
Feldmarschall
Radetzky war seinerzeit einer der bedeutendsten, mächtigsten und geachtetsten
Männer in Österreich-Ungarn. Johann Strauß, fast noch ein Zeitgenosse
Radetzkys, war demgegenüber zwar auch bekannt, beliebt und irgendwie geachtet,
mächtig aber war er nicht. Er war der "Geigen-Schani" nur ein
Künstler und Spaßmacher. Nichts weiter.
Ohne
den Geigen-Schani würde Seine Gnaden, den Feldmarschall heute keine Sau mehr
kennen.
Was
bleibt, ist das Lied des Sängers, nicht der politische Ruhm. Was bleibt, ist
der Sänger, nicht der Feldherr.
Tröstlich.