Heine als "allejorische Fijur, so ne Art Joethe"
Wer an Heinrich Heine denkt, denkt an Düsseldorf, an Norddeutschland,
Italien und - natürlich - Paris. Es ist relativ wenig bekannt, daß
Heine sich mehr als ein halbes Jahr in München aufhielt.
Der Verleger Cotta hatte ihm 1827 angeboten, die Redaktion der "Neuen allgemeinen politischen Annalen"
zu übernehmen, die in München erscheinen sollten. Wichtiger für Heine
aber war der Umstand, daß ihm mehr als nur vage Hoffnungen gemacht
wurden, er könnte in München eine Stelle als Außerordentlicher
Professur für Literatur bekommen.
Heine war
an dieser Anstellung sehr viel gelegen. Er - damals 30 Jahre alt -
suchte mit großem Eifer ein festes Einkommen und einen Ort, an dem er
sich dauerhaft niederlassen könnte. Um dies Ziel zu erreichen, war er
sogar bereit (wie er später unumwunden einräumte), Zunge und Feder im
Zaum zu halten. Der Innenminister Eduard von Schenk, wie Heine aus
Düsseldorf stammend, wie Heine ein Dichter (allerdings von angeblich
sehr zweifelhafter Qualität), setzte sich für Heine bei König Ludwig I.
ein. So schrieb er in einem Brief vom 28. 7. 1828:
"Ich
nehme mir die ehrerbietigste Freiheit, unter den vielen
Ministerialanträgen, welche Eure Majestät in diesen beiden letzten
Tagen vorgelegt wurden, Allerhöchstderselben vorzüglich zwei zu
Allergnädigster Berücksichtigung untertänigst zu empfehlen,
insbesondere das Anstellungsgesuch des Dr. Heinrich Heine als
Außerordentlichen Professor an der hiesigen Universität.
In
den Schriften des letzteren waltet ein wahrer Genius, sie haben das
größte Aufsehen in ganz Deutschland erregt. Einige Auswüchse und
Verirrungen befanden sich in den Jugendwerken aller unserer großen
Schriftsteller. Mehrern wahrhaft genialen Menschen in unserem teutschen
Vaterlande hat am Anfang nur eine wohltätige Fürstenhand gefehlt, die
sie in Schutz und zugleich in Pflege nahm, ihre guten Eigenschaften
aufmunterte und ihre Mängel und Verirrungen väterlich zurechtzuweisen
suchte.
Dr.
Heine bedarf auch einer solchen Hand und ich bin überzeugt, daß er,
wenn Eure Majestät allerhöchst Ihres Schutzes würdigen, einer unserer
ausgezeichnetsten Schriftsteller werden wird."
Ein
interessantes Gedankenspiel, sich auszumalen, wie Heine sich entwickelt
hätte, hätte er damals den ersehnten Job als Professor bekommen. Was
wäre gewesen, hätte er die "wohltätige Fürstenhand" gefunden, die ihn "in Schutz und zugleich in Pflege" genommen hätte, seine "guten Eigenschaften" aufgemuntert und seine "Mängel und Verirrungen väterlich" zurechtgewiesen hätte.
Wäre er eine Art Goethe geworden?
1830 schrieb Heine in den "Englischen Fragmenten":
"...meine
Seele bebt, und es brennt mir im Auge, und das ist ein ungünstiger
Zustand für einen Schriftsteller, der den Stoff beherrschen und hübsch
objektiv bleiben soll, wie es die Kunstschule verlangt und wie es auch
Goethe getan - er ist achtzig Jahr dabei alt geworden und Minister und
wohlhabend - armes deutsches Volk! das ist dein größter Mann!"
Wir sollten Ludwig I. dankbar sein, daß er Heine die Professur verweigerte.
P.
S.: Wer sich immer noch am Kopf kratzt und nicht draufkommt: Die
Formulierung "allejorische Fijur, so ne Art Joethe" ist aus dem Roman
"Der Maulkorb" von Heinrich Spoerl.