Über Rückmeldungen
jeder Art freue ich mich. Ich bin neugierig darauf, was Sie an meinen
Texten gefreut hat, was geärgert und was Sie für
diskussionswürdig halten. Haben Sie also bitte keine Hemmungen, hinterlassen Sie eine
Anmerkung in meinem Gästebuch oder schreiben Sie mir direkt per E-Mail.
Subversiver Gehorsam
In keinem der Nachrufe auf Fritz Teufel, die ich in diesen Tagen gelesen
habe, fehlt die mehr oder weniger ausführliche Schilderung jenes
Vorfalls, bei dem der legendäre Satz fiel: "Na ja, wenn's denn der
Wahrheitsfindung dient". Es scheint, als wäre es ganz vorrangig dieser
eine Satz, den Fritz Teufel der Nachwelt hinterlassen hat. Ich fand
sogar die Anmerkung, Fritz Teufel habe damit Rechtsgeschichte
geschrieben.
Auf den ersten Blick ist dies erstaunlich, denn sooo
bedeutend scheint das Sätzlein nicht zu sein, daß es Unsterblichkeit
verdient hätte. Vielleicht hilft es, wenn man den Zusammenhang
betrachtet, in dem es gesprochen wurde.
Fritz Teufel war
angeklagt gewesen, bei einer Demonstration Steine auf Polizisten
geworfen zu haben (er wurde von diesem Vorwurf freigesprochen, dies
nebenbei). Als er eine etwas allgemeinere, politische Erklärung
vortragen wollte, wurde er vom Richter zurechtgewiesen, er möge nur
solche Sachen vortragen, die der Wahrheitsfindung dienten. Kurz darauf
betrat das Gericht nach einer Verhandlungspause den Saal und die
Anwesenden, einschließlich der Zuschauer, erhoben sich von ihren
Plätzen. Nur Fritz Teufel blieb sitzen.
Der Vorsitzende forderte
ihn auf, er möge gefälligst aufstehen, wenn die Richter in den Saal
kommen. Fritz Teufel schraubte sich gaaanz langsam hoch und sagte: "Na
ja, wenn's denn der Wahrheitsfindung dient."
Der Witz der Aussage
ist nun verständlicher, die Frage bleibt, warum dieser Satz damals und
bis heute fortdauernd so gezündet hat.
Teufel macht hier etwas sehr Paradoxes: Er übt subversiven Gehorsam. Er beleidigt den Befehlenden, indem er
dessen Befehl gehorcht, er bleibt aufrecht indem er sich beugt.
Wenn
ein Ranghoher einem Rangniederen einen Befehl erteilt, dann hat der
Unter mehrere Möglichkeiten:
- Er kann dem Befehl gehorchen. Das
freut den Ober und erspart dem Unter Unannehmlichkeiten.
- Er
kann sich dem Befehl widersetzen. Das ärgert den Ober zwar, aber er hat
in aller Regel Möglichkeiten, den Unter zu bestrafen, was den Ober dann
letztlich doch wieder freut.
- Er kann dem Befehl gehorchen,
dabei aber gleichzeitig die Botschaft rüberbringen: "Ich halte dich für
ein genauso unbedeutendes Würschtl wie mich, aber gut, du hast das
schärfere Schwert..."
Genau das hat Teufel getan. Wäre er auch
nach der Aufforderung sitzengeblieben, so hätte er eine weitere
Ordnungsstrafe kassiert. Der Richter hätte sich zwar über ihn geärgert,
gleichzeitig aber die Genugtuung gehabt, daß er die Unbotmäßigkeit
sanktionieren konnte. So, wie es dann tatsächlich gelaufen ist, war der
Richter machtlos.
Der Saal hat gelacht, er hat über Teufels
Bemerkung gelacht - und er hat den Richter ausgelacht. Einen Richter
mitten in der laufenden Verhandlung straflos der Lächerlichkeit
preisgeben - brillant! Der Richter muß damals geschäumt haben vor Wut.
Mit
Ungehorsam kommen Ranghohe meist ganz gut zurecht, das Brechen von
Widerstand gehört zur Grundausbildung. Subversiven Gehorsam dagegen
lieben Mächtige überhaupt nicht.