Der Minnesänger des Frühmittelalters ist selbst unter Germanisten nur
wenig bekannt. Zu sehr steht er im Schatten des späteren Walter von der
Vogelweide, zu sehr hat die Nachwelt in Gandolf von Loichingen nur den
oberflächlichen Sänger des leichten Vergnügens hochadeliger Kreise
gesehen. Diese Sicht verkennt, welch große Rolle auch die Sozialkritik
bei Gandolf spielt. Man beachte nur sein "Kaiser-Kaiser", das beim
ersten Hinhören nichts weiter zu sein scheint als ein schmissiges
Tanzlied:
Auf der Kaiserpfalz nachts und halb zwei,
Ob du Kaiser bist oder Lakai,
Amüsierst du dich
Nicht mal königlich
Auf der Kaiserpfalz nachts um halb zwei.
Aus
jeder Zeile des Liedes spürt man die bittere Enttäuschung des Dichters
über das Nachtleben in den damaligen Kaiserpfalzen. Klar: Gandolf hatte
bei seinem über dreijährigen Studienaufenthalt im Italien ganz andere
Qualitäten des Amüsements kennengelernt.