Die Currywurstfreßmaschine
Fernsehstudio, Dekoration einer
morgendlichen Magazinsendung. Der Moderator biegt sich vor Lachen.
MODERATOR Abrupt ernst werdend Genug geblödelt. Das Wort hat
die Wissenschaft. Wie immer berichtet unser Reporter Jobst Ruhland von
der vordersten Front der Forschung.
Überblendung in ein bürgerliches
Wohnzimmer. Auf der Couch sitzt Jens Wittkop, der hier zuhause ist,
sowie der Reporter Jobst Ruhland. Auf dem Couchtisch vor Herrn Wittkop
und dem Reporter steht eine zugedeckte Schüssel.
REPORTER Einen
wunderschönen Guten Morgen wünscht Ihnen, liebe Zuschauer vor
den Geräten, Ihr Reporter Jobst Ruhland. Deutet um
sich. Dies ist kein bizarr ausgestattetes Forschungslabor, sondern
das Wohnzimmer von Herrn Jens Wittkop.
Jens Wittkop winkt grinsend in die Kamera.
REPORTER Herr
Wittkop hat eine Currywurstmaschine erfunden.
WITTKOP Nickt stolz Jawoll. Denkpause Nö.
REPORTER Nö?
Was heißt "nö"?
WITTKOP "Nö"
ist Dialekt von hier und heißt auf deutsch soviel wie...
REPORTER Weiß
ich selbst.
WITTKOP Nö!
Heißt et nich. "Nö" heißt "nein".
REPORTER Ach!
Ich meine: Wieso haben Sie keine Currywurstmaschine erfunden?
WITTKOP Weil
die gibt's schon.
REPORTER Wirklich?
WITTKOP Gäb's
sonst Currywurst?
REPORTER Also
ich weiß nicht...
WITTKOP Ich schon. Muß einwandfrei laufen das Ding...
Der Reporter guckt Jens Wittkop irritiert an.
WITTKOP ...weil's
so viele Currywürste gibt.
REPORTER Na
ja.
WITTKOP Wollen
Sie eine?
Jens Wittkop hebt den Deckel der vor ihm stehenden
Schüssel kurz an, man sieht, daß sich darin ein ganzer
Haufen heißer, mit Curry-Ketchup reichlich bedeckter
Currywürste befindet. Daneben sind, ebenfalls mit Curry-Ketchup
bedeckte, und deshalb wohl schon reichlich labbrige Pommes-Frittes zu
sehen.
REPORTER Angewidert Nein! Was ich will, ist, daß Sie mir
endlich sagen, was Sie erfunden haben.
WITTKOP Schnell, deshalb schwer verständlich Eine
Currywurstfreßmaschine.
REPORTER Fast schreiend Eine was?
WITTKOP Langsam, wie für einen Idioten Eine
Curry-Wurst-Freß-Maschine.
REPORTER Und
was ist - bitteschön - eine... Indigniert
..."Currywurstfreßmaschine"?
WITTKOP Das
ist eine Maschine, wo Currywurst fressen tut.
REPORTER Das dachte ich mir bereits.
WITTKOP Bewundernd Echt? Droht dem Reporter neckisch
mit dem Zeigefinger Manchmal glaube ich, Sie sind gar nicht so
dumm, wie Sie tun.
Der Reporter ist angesichts dieses zweifelhaften
Komplimentes vergrätzt, bewahrt aber professionelle Haltung.
REPORTER Ironisch Danke.
WITTKOP Es
gibt ja schon Maschinen, die Gras direkt in Milch verwandeln, ohne
Kuh. Is dann Pulver, gippse in Kaffee, rührste um und schmeckt
dann fast wie Milchkaffee,
REPORTER Wenn
man sehr starken Schnupfen hat.
WITTKOP Strahlt Ge - nau! Haben Sie's schon mal getrunken?
REPORTER Einmal.
Seufzend Einmal zu oft.
WITTKOP Seh'n
Se, dieses Problem vermeidet meine
Currywurstfreßmaschine.
REPORTER Und
wie?
WITTKOP Indem
sie die Currywurst nicht in Milch, sondern in Scheiße verwandelt.
REPORTER Höhnisch lachend Und die schmeckt dann besser als
Milchpulver?
WITTKOP Streng Ich weiß nicht, wie's bei Ihnen zugeht. Bei uns wird Scheiße nicht gegessen.
REPORTER Seufzend Dann zeigen Sie unseren Zuschauern mal Ihre
famose Currywurstmaschine.
WITTKOP Currywurstfreßmaschine.
REPORTER Ja,
doch.
Jens Wittkop schiebt mit einer Gabel eine
Currywurst samt einer Portion Pommes Frites auf einen Teller, geht
dann wenige Schritte hinüber zu der bewußten Maschine. Die
Currywurstfreßmaschine ist ein etwa
waschmaschinengroßer Blechkasten.
WITTKOP Ich
öffne jetzt diese Klappe...
Jens Wittkop öffnet eine Klappe an der
Vorderfront.
WITTKOP ...und
lasse die Portion Currywurst hineingleiten. Dann schalte ich die
Maschine ein.
Er läßt den Tellerinhalt hineingleiten
und schaltet die Maschine ein. Die Maschine surrt ein wenig, wenige
Sekunden später gibt es ein signifikantes Geräusch und
Jens Wittkop geht mit einem "Jetzt-paß-mal-auf-was-kommt"-Gesicht
zur Rückfront.
WITTKOP Sooo.
Fertig!
Jens Wittkop hält einen Nachttopf an eine
Öffnung an der Rückfront, drückt auf einen Knopf und aus
der kreisrunden Öffnung plumpst eine Kackwurst in den
Nachttopf. Er hält den Nachttopf dem Reporter hin.
WITTKOP Stolz Seh'n Sie!
Der Reporter weicht entsetzt zurück, hält
sich die Nase zu.
REPORTER Energisch Tun Sie das so - fffforrrt weg!!!
Jens Wittkop stülpt eine Art Tortendeckel
über den Nachttopf.
REPORTER Flach atmend, ironisch Sehr beeindruckend.
Jens Wittkop schaut stolz in die Kamera.
WITTKOP Krieg
ich jetzt den Nobelpreis?
REPORTER Ironisch Möglich. Wenn Sie uns noch erklären
können, wozu ihre Erfindung gut sein soll.
WITTKOP Es
ist nämlich wegen der Wirtschaft und die Arbeitsplätze.
REPORTER Arbeitsplätze?
WITTKOP Jou.
Weil früher konnte man nur was ausgeben, wenn man gearbeitet
hatte. Heute kann man nur arbeiten, wenn man was ausgibt. Richtig?
REPORTER Nun,
es scheint mir etwas vereinfacht, aber im Prinzip...
WITTKOP Eben.
Und für zum Arbeiten brauch ich Maschinen, zum Ausgeben aber
Leute.
REPORTER Äh...?
WITTKOP Und
der Dings... wie heißt er nur? Der Lafontaine hat doch mal
gesagt, daß Autos keine Autos kaufen.
REPORTER Wo
er recht hat, hat er recht. Aber...
WITTKOP Aber
meine Currywurstfreßmaschine frißt Currywürste. Mehr
Currywürste, als ich oder Sie oder wer je fressen
kann. Das schafft Arbeitsplätze, das kurbelt die Konjunktur
an.
REPORTER Klingt
schön. Klingt jedoch auch... Sarkastisch ...ein
wenig nach einem sinnlosen Karussell. All die schönen
Currywürste herstellen, damit dann keiner eine Freude dran hat.
WITTKOP Oh,
da haben viele ihre Freude dran. Wenn das Fernsehen darüber
berichtet...
Jens Wittkop schaut den Reporter fragend an, der
auf die Kamera deutet.
REPORTER Das
tut es gerade.
WITTKOP ...
will jeder sonne Maschine haben, um sie den Freunden und Nachbarn
vorzuführen. Muß er also erstmal kaufen, freut sich Jens
Wittkop. Dann braucht er Currywurst für zum Füttern vonnie
Maschine. Muß er kaufen, freut sich der Metzger. Wittkop und
Metzger müssen Steuern zahlen, freut sich der Finanzminister.
Nimmsse die Kackwuaß, gippse dann in'n Garten auffie
Gemüsebeete, kannsse dich gesund ernähren, freusse dich
selber.
Der Reporter schaut nachdenklich ins Leere.
REPORTER Und
Sie meinen wirklich, das kaufen die Leute?
WITTKOP Jou,
mein ich. Is wie beim Handy. Braucht keiner, kauft aber jeder, damit
alle sehen, daß jeder ein Handy hat. Ich hab jetzt auch eins.
Wollen Sie es sehen?
REPORTER Entschieden Nein! Sagen Sie: Haben Sie eigentlich schon
das nötige Geld beisammen, um Ihre Maschine großtechnisch
produzieren zu können?
Jens Wittkop, der offensichtlich daran noch
überhaupt nicht gedacht hat, schaut irritiert.
WITTKOP Nö.
REPORTER Nachdenklich, fiebrig Ich hätte da einiges
Ersparte... Dürfte ich mal Ihr Telefon...
WITTKOP Stolz Mein Handy.
REPORTER ...Ihr
Handy benutzen?
WITTKOP Strahlend Jou.
Jens Wittkop erhebt sich hastig vom Sofa und eilt
diensteifrig davon, dem Reporter das Handy zu holen. In seiner Eile
verhaspelt er sich am Couchtisch, er kommt ins Stolpern und fällt
gegen die Currywurstfreßmaschine. Die eine Seite der
Metallverkleidung der Maschine zerbricht. In der Maschine sitzt,
ziemlich eingezwängt, ein dicker Mann, der - immer noch an der
angeblich längst verdauten Currywurst kauend - verlegen den
Reporter anlächelt. Neben sich hat er einige vorbereitete, sauber
in Plastikfolie verschweißte Kackwürste liegen.
Jens Wittkop in einem verzweifelten Versuch, die
Katastrophe zu ignorieren:
WITTKOP Krieg
ich jetzt den Nobelpreis?
REPORTER Nein!!!
* * *
Nachbemerkung:
Diesen
Sketch habe ich seinerzeit auf gut Glück für die "Wochenshow"
geschrieben, das heißt, ich wollte Brainpool den Sketch verkaufen
und mich gleichzeitig als ständiger Freier Autor empfehlen. Wer
die "Wochenshow" kennt, wird unschwer das Grundmuster von "Herbert
Görgens" im Sketch erkennen.
Bei Brainpool waren
sie damals nicht dran interessiert, so daß ich jetzt zwar die
Namen geändert habe, sonst aber nicht viel.