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Frisierte Zahlen
Kurz vor der
Jahrtausendwende, als Pisa in Deutschland nichts weiter war als der
Name einer italienischen Stadt, schickte mich meine Frau in den
Nachbarort, beim dortigen Bio-Friseur zwei Fläschchen
Haarkur und zwei Tuben Mandelcreme zu holen.
Bedient hat mich dort,
ausweislich eines Schildchens mit Lichtbild ein Fräulein Klaudia
(mit "K", tatsächlich). Fräulein Klaudia, noch jung an Jahren
aber sichtlich kein Lehrling mehr, gab mir das Gewünschte. Dann
nahm sie sich ein Rechnungsformular, schrieb darauf "2 x 13,50 DM" und
akkurat darunter noch mal das Gleiche. Anschließend kramte sie in
einer Schublade und holte daraus einen Taschenrechner hervor, die
Gesamtsumme auszurechnen.
Noch vor dem ersten
Tastendruck weihte ich sie in das Geheimnis ein. Mit einem 50-DM-Schein
und einer Fünfmark-Münze wedelnd sagte ich ihr, daß die
Gesamtsumme 54,00 DM betrage. Sie aber, die vielleicht einen
Betrüger in mir vermutete, vielleicht auch nur konsequent das
Begonnene vollenden wollte, ließ sich davon nicht beeindrucken.
Sie tippte ein und tippte ein und verkündete schließlich
frohgemut, die Gesamtsumme betrage 66,00 DM. Ich widersprach und
beharrte auf meinem Rechenergebnis. Sie blickte mich an, fand ihren
Verdacht, einen Betrüger vor sich zu haben, womöglich
bestätigt und machte sich erneut daran, ihren Taschenrechner um
Rat zu fragen. Diesmal ging sie gründlich vor und ließ nach
bemerkenswert langer Zeit für eine so einfache Operation
triumphierend verlauten, ich hätte 63,00 DM zu bezahlen.
Eine Kollegin, wie wohl
mit halbem Ohr unser Gespräch belauscht hatte, riet Fräulein
Klaudia, sie solle doch den Taschenrechner nehmen. Das, verkündete
diese, habe sie schon, der Taschenrechner sei aber offensichtlich
kaputt. Eine verwegene Theorie, liefern doch Taschenrechner nach aller
Erfahrung entweder ein richtiges Ergebnis oder sie sind - weil die
Batterie schon am Ersterben ist - gar nicht mehr sinnvoll zu bedienen.
Wie auch immer:
Fräulein Klaudia nahm sich einen Stift und rechnete die Summe von
Hand aus. Wie sie das machte, bleibt rätselhaft angesichts von "2
x 13,50" zweimal untereinander geschrieben.
Wie immer sie es
machte, sie machte es und kam diesmal auf kühne 36,00 DM. Das
wäre mir zwar durchaus recht gewesen, aber ich wollte niemand
betrügen und beharrte auf 54,00 DM. Sie - allmählich
ungeduldig wegen soviel Rechthaberei meinerseits - nahm sich die
Rechnung nochmal vor und kam jetzt auf 34,00 DM.
Diesmal gab ich nach.
Sie würde 34,00 DM in die Registrierkasse tippen, der Betrag
würde also stimmen, die Differenz von 20,00 DM ginge demnach
zu Lasten der Firma, die mir solvent genug schien, den Verlust zu
verkraften. Diskret steckte ich die Fünfmark-Münze weg und
gab dem großzügigen Fräulein Klaudia den
Fünfzigerschein zum Wechseln. Sie nahm ihn, griff in die Kasse und
gab mir 26,00 DM zurück.
Einen Moment lang
spielte ich mit dem Gedanken, die damit zusätzlich geschenkten
10,00 DM auch noch einzustecken, dann aber siegte die
Klassensolidarität zwischen uns zwei Werktätigen. Diesen
Fehlbetrag würde wohl das Fräulein Klaudia oder die
Gesamtheit der Angestellten ausgleichen müssen, weil in der Kasse
ja 34,00 DM eingetippt waren.
Soviel zum Thema
"Bildungsnotstand".
P. S.: Diese Geschichte
ist wahr und selbst erlebt, nichts ist erfunden. Sogar die Zahlen sind
authentisch, ich habe mir alles noch im Auto, vor der Heimfahrt,
notiert.
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