Anzugkinder
Auf dem
Blog von Fabio De Masi
habe ich das nebenstehende Photo
gefunden, auf dem ausweislich des Bildtitels
Joschka Fischer im Alter von 12 Jahren abgebildet ist. 12 Jahre, das
ist das Alter, in dem katholische Kinder in Deutschland gefirmt werden
und die Buben sich zu diesem Anlaß in einen richtigen Anzug zwängen
müssen. Auch von mir gibt es ein Bild aus dieser Zeit, ebenfalls im
Anzug, nur halt mit Fliege statt mit Krawatte.
Wir
sind fast gleichaltrig, die zwei Jahre, die Herr Fischer älter ist als
ich spielen in unseren vorgerückten Jahren keine Rolle mehr. Unsere
Eltern sind Heimatvertriebene, seine aus Ungarn, meine aus dem
Sudetenland, unser beider Väter waren Metzger, beide waren wir
katholisch.
Und nun schau sich mal einer die Bilder der beiden
Buben an. Zwei ganz ähnliche Bilder (diese Brillen, die man
damals trug!) und doch so verschieden, wie zwei Bilder bei gleichem
Motiv nur immer verschieden sein können.
Joschka...
ich darf den zwölfjährigen Ex-Außenminister doch mit dem Vornamen
bezeichnen? Joschka also in lässiger Pose, selbstbewußt in
Gesichtsausdruck und überkreuzten Armen, das Gewicht auf dem Standbein,
das Spielbein locker abgespreizt. Ein Bub, der im Anzug zur Welt
gekommen sein scheint, mit so selbstverständlicher Eleganz weiß er ihn
zu tragen.
Ich dagegen stehe stocksteif da,
das Unbehagen, an diesem festlichen Tag einen Anzug (mit Schmieserl, man
stelle sich vor) tragen zu müssen, hat mich erstarren lassen, Unbehagen
in Gesicht und Haltung. Ich weiß noch sehr gut, wie mich als Bub das
Anlegenmüssen formeller Kleidung belastet hat, wie froh ich war, wenn
mich kein Gleichaltriger, den ich kannte, darin sehen konnte, zu sehr
hätte ich mich geschämt.
Für mich waren Anzug
und Krawatte immer Maschkera, also eine Faschingsverkleidung und sie
sind es noch. Die Faschingsverkleidung von Joschka Fischer dagegen
waren, das wird aus seinem Jugendbildnis deutlich, Jeans und Turnschuhe.
Kein Wunder, daß aus ihm was geworden ist und aus
mir nicht.